von Gundula Zubke
„Jetzt reicht es mir aber!!!“ – sagte ich nicht gerade freundlich zu meinem pubertierenden Junghund. Der raste wie von der Tarantel gestochen durchs Wohnzimmer, sprang aufs Sofa, flitzte um den Tisch und nahm dabei alles mit, was seinen Weg kreuzte. Davor hatte er schon sein orthopädisches Hundebett an einer Seite malträtiert.
Nein, er hatte nicht zu wenig Bewegung, außerdem reichlich Hundekontakt mit freiem Spiel. Er war auch nicht hungrig, ich war – bis dahin zumindest – nicht sonderlich gestresst, ihn hatten einfach nur seine Hormone am Wickel oder was auch immer. Und das schon seit einigen Tagen. Er war einfach nicht mehr zu bremsen. Und ich sehr genervt davon. Alle Familienmitglieder fanden es auch nicht mehr lustig.
Jetzt wirst du geströmt!
„Jetzt wirst du geströmt, ob du willst oder nicht!“ kündigte ich ihm mit aller Entschlossenheit an und packte mir den Lausebengel. Ich bin ja eine absolute Verfechterin davon, niemals ein Tier zum Strömen zu zwingen, es gar dabei festzuhalten oder anzubinden. NIEMALS! Bis zu diesem Tag habe ich immer allen empfohlen, sich selbst zu strömen und dem Tier die Zeit zu lassen, die es braucht, sich allenfalls strömend danebenzusetzen und gelassen zu bleiben.
Meine Prinzipien schickte ich fort, denn jetzt war die berühmte Ausnahme dran. Diesen zu quirligen Junghund wollte ich stoppen, und zwar mir zuliebe. Ich war an meiner Grenze angekommen. Also zwang ich – nein, auch nicht gerade sanft, sondern durchaus mit Kraft – 25kg Lebendmasse auf seine Decke und sorgte dafür, dass das Tier genau dort sitzen blieb.
Eine Hand legte ich ihm zwischen die Schulterblätter auf den Rücken (zwischen beide Sicherheitsenergieschlösser 10), die andere mitten aufs Brustbein (zwischen beide SES 13). Er versuchte durchaus, sich meinem Griff zu entwinden, aber ich ließ nicht locker: „Du bleibst jetzt hier liegen. ZWEI MINUTEN.“ Irgendwie erinnerte mich die Szene an lange vergangene Zeiten („Du probierst dieses Essen wenigstens. Nur EINEN Happen!“)
Ausnahme
Kaum hatte ich mit dem Strömen angefangen, ging es mir besser. Es tat so gut, dem irren Treiben meines geliebten Haustiers etwas entgegenzusetzen. Meine Nerven beruhigten sich schlagartig und das Zappeln meines Hundes ließ tatsächlich nach. Es dauerte so etwa 15 Sekunden bis er sich in sein Schicksal ergab und stillhielt. Ich setzte mich zu ihm, ein Bild des Friedens, und strömte weiter. Zwei Minuten.
Dann gab ich ihn frei. Versprochen ist versprochen. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit ganz bewusst auf anderes, ließ den Hund „Hund sein“ und seiner Wege gehen. Im Wohnzimmer blieb es ruhig, erstaunlich.
Die Tage danach waren die reinste Erholung. Die stets auf Durchzug geschalteten Ohren reagierten wieder auf mein Rufen, mein Hund rannte nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit ab ins hohe Gras zum Zeckensammeln, sondern blieb in meiner Nähe.
Ach ja. Geht doch!
„Um meinet Willen“
Mich hat diese Erfahrung sehr nachdenklich gemacht. Manchmal ist es vielleicht gut, die eigenen Prinzipien ganz bewusst zu brechen. Die Situation war schon besonders, weil ich meinen Hund UM MEINETWILLEN geströmt habe. Ich wollte nicht ihm etwas Gutes tun, sondern das überbordende Herumrennen abstellen, damit mein Wohnzimmer heil bleibt. Und das hat erstaunlich gut geklappt.